Respektlosigkeit gegenüber Maschinen
Diese Woche wechseln wir zu Plattformen, neuen Kitas und neuen Lernorten fürs Heimwerken
Während eine nie-endende Erkältung meine Nase und Lunge in Schach hält, hat draußen ein Müllcontainer gebrannt. Nicht unserer, zum Glück, aber nah genug, dass man es riechen und sehen konnte. A pro pos brennende Müllcontainer: da war doch was.
Der blaue Müllcontainer brennt
Dieser Tage wärme ich mich auf an einem brennenden Twitter-Logo. Wie ungefähr niemand verpasst hat, hat der Sohn eines Edelsteinminenbesitzers aus Südafrika viel zu viel Geld für ein Online-Medium bezahlt und weil er der Typ ist, der er ist, macht er es jetzt mutwillig kaputt. Wer kann es nicht nachfühlen, wenn man aus Versehen bei Kleinanzeigen ein zu teures Fahrrad kauft und aus Ärger es gleich in den nächstbesten SUV lenkt. Jedenfalls macht Laseraugen-Elektroautoverkäufer jetzt Twitter kaputt und die Reaktionen darauf sind mir (mitunter) eine wahre Freude.
Bitter ist natürlich, dass ganze Teams in Massen gefeuert werden. Ich denke jedoch, dass die meisten von ihnen mit einem hübschen CV mit prominenter Twitter-Platzierung schon bald wieder einen Job haben. Der Verlust liegt eher bei Twitter, denn ohne Human Rights oder Accessibility Teams wird die Plattform einfach nur schlechter. Und wie man so hört, werden ein paar der per Email gefeuerten mittlerweile angefleht, doch zurückzukommen. Sie würden noch gebraucht.
Schön ist, dass die Don't-call-it-a-Twitter-Altervative Alternative Mastodon massiv zulauf erhält. Endlich kann man dort nicht nur männlichen Tech-Nerds zuschauen, wie sie über Mastodon schreiben, sondern auch tatsächlich sowas wie eine diverse Timeline zusammenbauen. Es sind immer noch zu viele Männers und zu wenig andere auf Mastodon, aber das ändert sich gerade. Ich selbst bin auf mastodon.social zu finden, denn bei meinem Wunschsserver chaos.social ist gerade Aufnahme-Stopp. Nur 42 Nerds werden jeden Tag um Mitternacht auf den Server gelassen. Bubble gotta stay bubbly.
Witzig sind die ganzen "großen" Twitter-Accounts, die jetzt viele Zeichen darauf verwenden, Mastodon schlecht zu reden. Ganz so, wie Right-Wingers Sozialismus schlecht reden, indem sie Beispiele von Kapitalismus-Versagen aufzählen, zählen Twitter-Influencer Nachteile von Mastodon auf. Meine liebsten: Abhängigkeit von Admins (Willkür bei Account-Bans ist ja bei Twitter gar kein Thema) und schlechte UX (Twitters algorithmische Timeline wird ja weithin für die usability gefeiert). Naja, da sehen halt ein paar Leute ihre Follower-Felle davon schwimmen. Ich sehe darin eine große Chance. Denn fast alle, die heute auf Twitter groß sind, sind es aufgrund ihres Empörcontents – und da gibt es ausnahmsweise tatsächlich mal keinen großen Unterschied zwischen Links und Rechts. Auf Twitter empört man sich über die Regierung, die Bahn, die Zugezogenen, die Asis, die Lehrer:innen, die Schüler:innen, die Eltern, die Nachbarn, die Deutschen, die Nicht-Deutschen, die Wirtschaft, die Linken, die Rechten, einfach alles. Hauptsache, es knallt, die Likes kommen rein und der Algorithmus zählt fleißig Engagement.
Das gibt es so (noch) nicht bei Mastodon. Ohne algorithmische Timeline wird einem keine Reply oder "X gefällt Y" reingespült. Das beschneidet Empörreichweite, und das gefällt Dauerempörten weniger, mir aber umso mehr. Deswegen: Reject Twitter, Embrace Mastodon.
(Ja, ich weiß, Mastodon ist bei weitem nicht perfekt, die Server sind gerne mal überlastet, die User-Anzahl gering, Diversity ist eher ein Ziel als eine Realität, die Suche ist schlechter, man kann keine Posts planen, der Name ist fürchterlich, und und und. Da kann und wird sich noch viel dran ändern. Zum jetzigen Zeitpunkt geht mir Mastodon auf jeden Fall weniger auf die Nerven als Twitter.)
Und sonst so?
Oktober, und scheinbar auch November, wurden unsere beschäftigsten Monate des Jahres mit Ansage. Der Kitawechsel des Großen verläuft zwar sehr erfolgreich, jedoch endet die Fremdbetreuung derzeit noch um 12:00 mittags und das lässt einfach nicht viel Zeit für irgendwas produktives. Eine schöne Sache haben wir aber erfahren dürfen: Kitas müssen gar nicht dysfunktional organisiert, latent überfordert und wenig kommunikativ sein. Scheinbar ist es auch in Berlin legal, eine freundliche Kita-Leitung, motivierte Erzieher:innen und schöne Räumlichkeiten zu haben.
Im Mit Kindern Leben Podcast von Patricia Cammarata und Casper Clemens Mierau, den ich mir unlängst zu Gemüte führte, schildert Patricia etwas ähnliches. Eines ihrer Kinder wechselte die Schule und auf einmal war alles besser. Windmühlen, gegen die sie ankämpfen musste, wurden zu Verbündeten. Unüberwindbare Probleme verschwanden einfach. Alles dank eines Wechsels.
Ich lerne daraus: es ist ok, ein System verändern zu wollen, aber wenn es mit ehrlichen Versuchen nicht klappt, lohnt sich ein Wechsel fast immer. Denn manches will sich nicht ändern lassen, manches will verlassen werden.
Wie TikTok mir half, eine Espressomaschine zu reparieren
Außerdem habe ich noch meine Siebträgermaschine gewartet. Es hat etwas unglaublich befriedigendes, so eine Maschine auseinander zu nehmen, zu reinigen, instand zu setzen und wieder funktionierend zusammen zu bauen. Ich mache das jetzt seit einer Weile mit allerlei Haushaltsgeräten und ich kann es nur empfehlen. Wir haben viel zu viel Respekt vor Spülmaschinen, Waschmaschinen, Kaffeemaschinen und was sonst noch so im Haushalt hilft. Dank meiner Respektlosigkeit Maschinen gegenüber habe ich schon Heizpumpen und Motoren getauscht, verschollene Wäsche aus den Tiefen der Waschmaschine geklaubt und gerade dieses Wochenende ein halbes Kilo Kalk aus meiner Kaffeemaschine geholt.
Dabei ist mir aufgefallen, dass wir in eine neue Ära von DIY eingetreten sind. Die läuft jetzt schon ein paar Jahre. Früher™ konnte man Geräte reparieren, weil sie selbsterklärend aufgebaut waren. Man brauchte kein Handbuch, ein Küchenmixer war schnell aufgeschraubt, der Motor sah aus wie ein Motor und einfache Standardteile ließen sich einfach austauschen (so stelle ich es mir anhand von Erzählungen vor). Dann, dann kam die Wende, und der Spaß war zu Ende. Also zeitlich gesehen, so irgendwann in den 80ern und 90ern, wurde alles elektronisch, miniaturisiert und kompliziert. Reparieren wurde zusehends schwieriger, bis in die 2000er, wo ein Defekt meistens zu einem Komplett-Austausch führte. Ich habe da keine Zahlen für, aber ist auch egal, der Punkt kommt jetzt: Seit YouTube und meiner Meinung nach noch mehr seit TikTok werden Reparaturen wieder zugänglich. Auf YouTube habe ich einen kompletten Teardown meiner Kaffeemaschine gefunden, ohne den ich es nur schwer selbst geschafft hätte. Dort habe ich auch schon Hilfe für Spülmaschinen und Waschmaschinen gefunden.
TikTok ist nicht so gut in Durchsuchbarkeit und langfristiger Dokumentation. Dafür ersetzt es für mich das tradierte Wissen. Früher™ lernte man von Elternteilen, wie man einen Knopf annäht, eine festgefressene Schraube löst oder eine Zwiebel schneidet. Einiges davon haben meine Eltern mir beigebracht, aber etliches davon "musste" ich selbst irgendwann lernen. Und hier hilft TikTok: Lifehacks lösen oft diese kleinen Problemchen, die man nicht googlen kann. Tipps, die sonst Mentor:innen beim gemeinsamen Machen teilen, finden sich jetzt auf TikTok in 60 Sekunden oder weniger.
Für mich war es eine Schraube. Die war so verkalkt, dass ich sie bei einem früheren Versuch mit viel roher Gewalt nicht lösen konnte. TikTok sagte mir dann: Nutze einen Hammer und gebe leichte Schläge auf Deine Ratsche. In Sekunden war die Schraube lose. Und so hat mir TikTok geholfen, meine Kaffemaschine zu reparieren und ihre Lebensdauer zu verlängern.
Mittlerweile ist es mir auch nicht mehr peinlich, in einem Gespräch TikTok als Quelle anzugeben – so viel habe ich dort schon gelernt. Ich sage stattdessen mit Stolz: Neulich hab ich auf TikTok gesehen, wie diese dicke Katze mit der dünnen Katze zusammenlebt und dann war da dieser Sound wo eine Frau erzählt man hat immer zwei Katzen, eine dicke und eine dünne, weil die dicke frisst der dünnen das Futter weg und dann sagt der Tierarzt...